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Wirtschafts-mediation: Konfliktlösung beim Streit um die Immobilie

Immobilien bergen Konfliktpotenzial. Zwischen Mietern und Vermietern, zwischen Eigentümern und Finanzierern und unter Erben und Eheleuten. Was tun im Streitfall? Wirtschaftsmediator Gerhart Flothow im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE.

Bei Erb- und Familienkonflikten geht es vordergründig häufig um reine Sachfragen zu Immobilien und Vermögen. Tatsächlich geht es aber fast immer um emotionale und persönliche Konfliktsituationen. Hier wieder Einklang herzustellen, ist die vornehmliche Aufgabe eines Wirtschaftsmediators. FONDS professionell ONLINE stellt einen vor.

Herr Flothow, was ist Wirtschaftsmediation?

Gerhart Flothow: Ziel der Wirtschaftsmediation ist – wie bei Mediation in anderen Bereichen auch – das Lösen eines Konflikts auf Basis eines Interessensausgleichs, anstatt durch das Ausüben von Macht oder das langwierige Beschreiten des Rechtswegs. Wir stellen die Personen in den Vordergrund, ihre jeweiligen Bedürfnisse und Interessen und suchen nach Gemeinsamkeiten. Der Mediator ist im Gegensatz zum Anwalt allparteilich.

Ist Mediation besser als ein Rechtsverfahren?

Flothow: Nein, Mediation ist nicht besser oder schlechter, sondern etwas völlig anderes. Der Kühlschrank ist auch nicht besser oder schlechter als der Backofen. Mediation verfolgt einen anderen Ansatz: Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass bei den meisten Konflikten beide Parteien aus ihrer Sicht Recht haben. Die eine Person sieht eine „6“, das Gegenüber eine „9“. Der von außen Schauende erkennt das sofort und ist nicht Teil der den Blick vernebelnden Emotionen. Je persönlicher ein Konflikt, umso wichtiger ist der Mediator. Mit offenen Fragen arbeitet der Mediator in einer Art Iterationsverfahren die Bedürfnisse und die sich daraus ergebenden Interessen heraus. Oft liegen sie weit jenseits des vordergründigen Konfliktgegenstands.

Konfliktgegenstand sind häufig Immobilien, die nicht einfach aufgeteilt werden können, um dadurch einen Streit beizulegen. Zurzeit kommt noch die völlige Unwägbarkeit der Entwicklung von Immobilienwerten hinzu. Welchen Beitrag kann Mediation da leisten?

Flothow: Der Beitrag der Mediation zur Lösung auch solcher Konflikte kann eigentlich nicht überschätzt werden. Allein die Überlegung, mit dem Verkauf einer Immobilie zu warten, bis sich der Markt wieder beruhigt hat, sehen Parteien mit unterschiedlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit völlig anders. Die Partei mit überzogenem Dispokredit müsste womöglich zehn Prozent Zinsen für einen Kredit zahlen, während die wirtschaftlich stärkere Partei möglicherweise über ausreichend Liquidität verfügt und lediglich auf die Verzinsung aufs Tagesgeld verzichten würde. Auch unterschiedliche Lebensalter der Konfliktparteien können eine große Rolle spielen, weil ihre Lebenspläne unterschiedliche Zeithorizonte haben. Nachhaltige Konfliktbearbeitung funktioniert nur mit gegenseitiger Wertschätzung und wenn man die Bedürfnisse und Interessen der jeweils anderen Partei gleichermaßen berücksichtigt. Ein guter Mediator kann in allen Konflikten auch die Position des Schwächeren nachvollziehen.

Wie kann das konkret aussehen, wenn es um die Umsetzung in die Praxis geht?

Flothow: Einer der Wege, die unterschiedlichen Interessen in einer Erbauseinandersetzung um eine Immobilie zusammenzuführen, besteht im Teilverkauf. Das war vor zehn Jahren noch völlig unbekannt, hat sich inzwischen aber etabliert. Wenn ein Elternteil stirbt, kann damit der andere in der Wohnung bleiben und dennoch einem Wunsch der Kinder nach Geld entsprechen.

„Sterben ist irreversibel, deshalb sollte man es vorbereiten, im Gespräch mit seiner Familie, auf Augenhöhe. Man muss rausfinden, was den anderen wirklich wichtig ist…“

Dr. Gerhart Flothow

Ist der Teilverkauf eine Alternative zum sogenannten Berliner Testament? Es regelt, dass der hinterbliebene Ehepartner weiter in der Immobilie wohnen bleiben kann und zu seiner Versorgung das gesamte Vermögen zunächst auf ihn übergeht.

Flothow: Regeln tut das Berliner Testament genau das eigentlich nicht. Es ist nur Ausdruck der Hoffnung, dass die Kinder da mitmachen, denn es fordert die Kinder auf, auf ihren Pflichtteil zu verzichten. Teilverkaufsmodelle stellen eine echte Alternative zum Berliner Testament dar, da dadurch dem Bedürfnis der Kinder nach Teilerbe Rechnung getragen werden kann. Gleichzeitig können anstehende Renovierungsarbeiten durchgeführt werden und das verbleibende Elternteil kann im Elternhaus wohnen bleiben. Sind Kinder nicht bereit, auf ihren Pflichtteil zu verzichten und klagen ihn ein, dann droht der Verkauf des Hauses, was unter Druck immer mit Verlust verbunden ist. Das Berliner Testament spiegelt meiner Erfahrung nach heute nicht mehr die gesellschaftliche Realität. Das damit zum Ausdruck kommende Erziehungsmuster – die Eltern machen eine Ansage, und die Kinder gehorchen – ist nicht mehr zeitgemäß.

Was raten Sie unseren Lesern?

Flothow: Führen Sie Ihre Kunden frühzeitig an das Thema heran. Sterben ist irreversibel, deshalb sollte man es vorbereiten, im Gespräch mit seiner Familie, auf Augenhöhe. Man muss rausfinden, was den anderen wirklich wichtig ist, sonst trifft man gut gemeinte, aber letztlich falsche Entscheidungen, weil der Partner und die Kinder vielleicht ganz andere Interessen haben. Kürzlich besuchte ich einen Mandanten, der im Sterben lag, und es war nicht klar, ob er sein Testament noch unterschrieben bekommt oder nicht. Er hatte acht Immobilien über Deutschland verteilt zu vererben. Weil es mit der Unterschrift dann doch noch geklappt hat, können wir sein Erbe innerhalb eines halben Jahres abwickeln. Andernfalls hätte das mindestens drei Jahre gedauert. Regen Sie Ihre Kunden dazu an, einen Termin in ihren Kalender einzutragen, bis wann sie in diesem Jahr noch ihr Erbe geregelt haben wollen, und bieten Sie ihnen Hilfe dabei an.

Vielen Dank für das Gespräch! (tw)

Gerhart Flothow ist Mediator mit Schwerpunkt Konflikte in der Immobilienwirtschaft. Seine Ausbildung schloss er nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit einer berufsbegleitenden Promotion zum Dr. rer. pol. an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ab. Er verfügt über 30 Jahre Immobilienerfahrung und kennt Immobilienkonflikte aus allen Perspektiven.

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